Weiter mit meiner Autobiografie von 1996 … 

An all den vielen Orten, wo sie mich hinbrachten, fühlte ich mich fremd. Also ob ich in einem falschen Körper oder Leben war. Der Gedanke, dass all diese Leute nicht verwandt sind mit mir, begleitete mich bis ich mein Vater in Italien fand, da war ich 34 Jahre alt. Wenn ich jedoch an all das, was zuvor, vor allem bevor ich 20 Jahre alt war, zurückdenke, gab es ab und zu auch gute Erinnerungen an ein paar wenige Orte, wo ich war. In den Kinderheimen jedoch, überwiegen die schlechten, bis zu grässlichen Erinnerungen, die mich bis heute Nachts in meinen Albträumen verfolgen. Die wenigen guten Erinnerungen hatten meistens danach einen bitteren Nachgeschmack. Weil ich und all jene Kinder, die in den Augen jener Tanten böse waren, wieder bestraft wurden. Einmal, da gingen beide Heimtanten im Lutisbach in die Ferien. Es kam eine andere Tante, wir nannten sie Basteltante, weil sie zuvor ab und zu mit uns bastelte. Sie war nicht streng. Es herrschte bei den anderen beiden Tanten Essenszwang. Daher nutzten wir die Gunst der Stunde bei jener Basteltante. Einige von uns Kindern wie auch ich weigerte sich, als es zum Mittagessen Rotkraut, Kastanien und Salzkartoffeln gab. Als die Tante uns zum Essen rief, streikten wir und kletterten auf einen Baum und blieben dort oben sitzen, bis die anderen fertig gegessen hatten. Danach gingen wir zum Nachbar und erzählten ihm, dass wir Hunger hätten, weil wir uns weigerten dies zu essen. Er gab uns Bananen und Kekse. Es war eine schöne Zeit, diese drei Wochen und ich könnte noch einiges erzählen, was in dieser Zeit so alles passierte. Als die Heimtanten jedoch wieder aus den Ferien zurückkamen, bestraften sie mich und alle jene Kinder. Wir bekamen einen ganzen Monat Hausarrest, Sackgeldentzug, kein Fernsehen oder Radiohören und mussten um 20 Uhr im Bett sein. Nur zur Schule durften wir gehen.

Fortsetzung folgt …

Der Schweizer Staat, die Behörden und alle jene, die involviert waren, haben mir nicht nur meine Kindheit gestohlen, sondern auch meine Identität. Sie alle kamen Straffrei davon, obwohl sie sehr viele Straftaten an mir, meiner Mutter und auch meinem Vater ohne Grund machten!

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Als Kind wehrte ich mich fast nie, dies lernte ich erst mit den Jahren, als Erwachsene. Habe jedoch bis heute Mühe damit und oft denke ich, warum liess ich dies alles zu, was Sie mit mir machten. Jedoch wen ich darüber sprach, nannten sie mich eine Lügnerin. Die Lügner waren jedoch die Erwachsenen. Sie logen mich an, sie alle glaubten jenen erlogenen Geschichten, die unsere Vormüderin dem ganzen Umfeld um mich herum erzählte, was mein leiblicher Vater anging und auch meine Mutter. Vor allem alles, was meine Mutter mir über ihn erzählte, nicht stimmte. Auch sie war in den Augen all jener eine Lügnerin. Meine Mutter erzählte mir so einiges von meinem richtigen Vater. Aber die Erwachsenen um mich herum manipuliert mich so, dass ich lange unsicher war, was nun stimmte. Trotzdem dachte ich oft an ihn. Nicht an all jene männlichen Personen um mich herum, die ich Vater nannte. Sie erzählte von ihm einiges und mit dem älter werden begriff ich, dass jedes Kind einen richtigen Vater nicht nur eine richtige Mutter hatte. Oft wünschte ich mir einen Bruder. Vielleicht weil ich das Gefühl hatte, dass er mir damals als Kind hätte helfen können. Eines Tages, da war ich sieben Jahren alt. Die Heimtante rief mich wieder einmal ins Büro. Ich dachte mir, was habe ich jetzt schon wieder angestellt. Sie sagte mir, ich hätte eine Schwester bekommen. Ich war sehr enttäuscht. Alles, was ich dazu sagte, war, scheisse, ich hätte lieber einen Bruder. Damit war die Sache für mich erledigt und alles nahm seinen gewohnten Gang. Von jenen Heimtanten wurde ich als sächliches Wesen erzogen, ein ES. Was ich genau war, wusste ich sehr lange nicht. War ich ein Junge oder ein Mädchen. Die Haare geschoren wie ein Knabe, behandelt wie eine Sache, ein Gegenstand, mit dem sie machen konnten, was ihnen gerade so einfiel. Ich war nicht die Manuela, die ich hätte sein sollen, sondern die Manuela, die sie aus mir machten. Bis es einen Heimleiterwechsel gab, da war ich 14 Jahre alt. In diesen letzten 3 Jahren, die ich dann im Kinderheim verbrachte, konnte ich eine kurze Zeit Kind sein, vor allem ein Mädchen. 

Als ich volljährig wurde, begriff ich immer mehr, dass sie gelogen haben, dass ich auf Lügen der Behörden und unserer Vormünderin 20 Jahre lang ohne Grund versorgt wurde. 

Fortsetzung folgt …

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Viele im Dorf, darunter auch einige Lehrer wussten, dass in vielen Kinderheimen, damals in Oberägeri Kinder misshandelt wurden. Dass der Heimleiter vom Kinderheim Blumenhof regelmässig die Kinder mit der Reiterpeitsche oder dem Gürtel schlug. Und sie wussten ganz sicher auch, dass einige Kinder aus dem Kinderheim Lutisbach von der Heimtante, geschlagen, eingesperrt und misshandelt wurden. Das grosse Schweigen herrschte auch darüber, dass gewisse Lehrer und jene katholischen Nonnen in der Schule Kinder misshandelten. Wir alle wurden alleine gelassen. Es gab jedoch Kinder, die diese Gewalt, die Erwachsenen an ihnen ausübten, an anderen Kindern, wie auch an mir, ausliessen. Ich war zu oft ein Opfer. Einmal, so erinnere ich mich gut, schlug mir ein anderes Kind im Kinderheim mit aller Wucht die Faust ins Gesicht, sodass ich vor Schmerzen weinend auf mein Zimmer ging. Da ich jedoch nicht am Mittagstisch erschien, wurde ich noch dafür bestraft. Die Heimtante interessierte diese nicht, dass ich aus der Nase geblutet hatte. Irgendwann fingen gewisse ältere Knaben an sich zu wehren und gingen auf jene Heimtante los. Einer bekam regelmässig nur eine Scheibe Brot und ein kleiner Schmelzkäse. Etwas dazu trinken, durfte er nicht. Diese Strafe bekam er immer, wenn er ins Bett gemacht hatte, also oft. Irgendwann wehrte er sich dagegen. Er warf den Schmelzkäse mit voller Wucht an die Wand, wo er kleben blieb. Dann packte er die Heimtante an den Haaren und warf sie zu Boden. Wir Kinder lachten darüber und fanden es gut. Ein anderes Mal in einem Ferienlager in Adelboden, wo wir alle aus dem Kinderheim im Sommer 1973 hingingen. Dieser schwerstbehinderte Knabe, der gar nicht im Heim hätte sein dürfen. Jener Knabe, der auch mich immer quälte, packte die Heimtante an den Haaren und schleifte sie durch diesen langen dunklen Gang mit dem roten Teppich. So einige Kinder fingen an, sich zu wehren, ich jedoch nie. 

Heute frage ich mich oft, warum ich dies nicht getan habe. Vor allem, wie habe ich dies nur ausgehalten. Am meisten aber, warum haben alle Erwachsenen im Wissen all dieser Gewalt und Missbräuche an uns, weggeschaut. 

Fortsetzung folgt …

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So etwas wie Menschenwürde, Kinderrechte oder kindgerechte Erziehung kannten so einige von uns, wie auch ich nicht. Das Kinderheim und die öffentliche Schule waren für mich von Mobbing und Gewalt geprägt. Dies nicht nur von Mitschülern, auch gewisse Lehrer wurden handgreiflich. Daher hatte ich auf meinem Schulweg zurück ins Kinderheim oft sehr lange. Es gab so viele interessante Sachen, vor allem hatte ich fast immer meine Ruhe und niemand plagte mich. Jedoch zurück im Kinderheim folgte immer eine Strafe, weil ich nicht nur 20 Minuten, sondern über eine Stunde für diesen Schulweg brauchte. Entweder war das Mittagessen alles in einem Teller. Die Suppe, das Menü, der Salat. Diese Strafe bekam ich, weil sie wussten, dass ich die Nachspeise nicht gerne hatte. Dann weigerte ich mich und ass nichts. Die nächste Strafe war, mit dem Teller in einen anderen Raum zu gehen. Manchmal waren so einige Kinder auf einige Räume verteilt. Wenn man dann trotzdem nicht aufgegessen hatte, mussten wir in die Küche, bis diese um 14.00 Uhr fertig geputzt war. Falls man immer noch nichts gegessen hatte, wurde dieses Essen zum Abendessen wieder aufgewärmt. Ich ass mein Essen nie auf, daher hatte ich oft über 24 Stunden nichts zu essen. Ich war es ja gewohnt, mit Hunger ins Bett zu gehen. Auch eine bevorzugte Strafe, wenn ich am Nachmittag zu lange auf dem Schulweg hatte, bekam ich zum Nachtessen Wasser und Brot, dies verweigerte ich immer. Einmal, so erzählte mir eine Praktikantin, dass ich mitten in der Nacht ins Badezimmer ging, weil ich so Hunger hatte, denn dort lag diese Scheibe Brot auf einem Regal. Mag mich noch an weitere Strafen erinnern, was das Essen am Tisch betraf. Ein Kind verweigerte immer die Suppe, daher musste jenes Kind regelmässig im Esszimmer in eine Ecke auf dem Boden sitzen, bis es die Suppe gegessen hatte. Ein anderes Kind, das auch oft im Visier der Heimtanten war, hatte die eine Hand beim Essen immer unter dem Tisch. Die Tante drohte ihr damit, wenn sie die Hand weiterhin unter dem Tisch liesse, dass sie im Keller eine Schraubzwinge hole und die Hand damit auf dem Tisch befestigte. Da dieses Kind stur blieb, holte die Heimtante tatsächlich eine Schraubzwinge und ein Brett und fixierte die Hand des Kindes mit dieser Schraubzwinge am Tisch fest.

Sehr viele Leute in Oberägeri wussten ganz genau, wie sie mit uns Kinder in den jeweiligen Kinderheimen damals umgingen. Keiner half uns, alle schauten weg.

Fortsetzung folgt …

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Im Kinderheim war es oft so, dass man sich gegenseitig verraten hatte. Denn einem anderen Kind die Schuld zuweisen, war gut, so wurde man nicht bestraft. Mein Wille kein anderes Kind zu verraten wurde durch sehr viele Strafen gebrochen. Ich musste oft den Kopf hinhalten für etwas, das ich gar nicht getan hatte. Indem sie mich an so einigen Orten einsperrten, bis ich verriet, wer es war. Einer der Räume war das Nähzimmer. In diesem Zimmer mussten wir auch stricken, wenn wir etwas „Verbrochen“ hatten. Darin stand ein Tisch mit einer blau, gelb, schwarz karierten Tischdecke. Das Rösslein Hüü aus Holz stand in einer Ecke auf einem Gestell zusammen mit Pinguine, die bei jeder Vibration mit dem Kopf wackelten. Auf einem Pult stand eine Nähmaschine und auf einem Bett lagen all die Kleider, die die Nähfrau flickte musste. Ein anderes Mal sperrten sie mich in den Besenschrank, der neben dem Badezimmer stand. In einem Teil davon waren die Besen und Putzsachen und im anderen Teil stand dieser "Blocher", mit dem sie die Böden polierten. Irgendjemand sperrte mich dort ein. Ich stand auf diesem "Blocher" es roch nach Poliermittel und ich konnte mich nicht bewegen, so eng war es. Ich rief immer wieder, lasst mich heraus. Irgendwann schloss jemand auf und ich wurde wieder bestraft, weil ich zu spät zum Mittagessen kam. Die anderen Räume, in die sie mich sperrten, waren der Heizkeller, der Keller, das Badezimmer, mein Zimmer und auch in jene „Spielzeugschränckli“, die es in den verschiedenen Farben gab und ein jedes davon einem Kind gehörte, um seine Spielsachen zu versorgen. Meines, in das sie mich sperrten, war fast leer. Dazu drohte die Heimtante oft damit, dass sie alles in ein blaues Büchlein schreibt und dies bei meinem Heimaustritt mir schaden könnte. So etwas wie ein Strafregisterbüchlein, das die Zukunft für eine Lehre oder Beruf verschlechtern würde. Ob es dieses Büchlein je gegeben hat, weiss ich nicht.

Welche Zukunft, fragte ich mich eine lange Zeit, sie war damals als ich ein Kind war verschissen und besser wurde sie lange Zeit auch nicht wirklich. 

Fortsetzung folgt …